Dr. Erika Schuster 1940-2024
Ein Nachruf in drei Abteilungen
Brigitte Schwens-Harrant über Erika Schuster
„Arbeitsgemeinschaft Buch und Schrifttum“ hieß jene Stelle, deren Leitung Erika Schuster ab 1985 übernahm. Sie änderte den Namen und diese Änderung war Programm: Literarisches Forum nannte sie die in der Katholischen Aktion Österreich und Wien angesiedelte Institution – und ein Forum wurde sie.
Denn die Historikerin und Germanistin wusste Menschen zusammenzubringen, sie wusste sie mit Neugier anzustecken und ihnen den Raum zu geben, ständig Neues zu erproben. Sie ermöglichte es jungen Mitarbeiterinnen, sich mit den eigenen Ideen und Kompetenzen voll und ganz einzubringen. Sie übergab Arbeitsbereiche tatsächlich, hatte Vertrauen in die Kompetenz ihrer Mitarbeiterinnen. Es machte Freude, mit ihr zu arbeiten – und das hieß immer auch: zu diskutieren, Vorschläge zu besprechen, nach- und weiterzudenken. Und immer wieder auch viel zu lachen.
So und unter Einbindung der vielen kreativen Köpfen, die sie regelmäßig zu Besprechungen und Klausuren zusammenrief, entstand ein völlig neuer Fernkurs für Literatur, der mit seiner dreiteiligen Struktur (Autor/in, Leser/in, Text) und von vielen Leseheft-Autorinnen und -Autoren verfasst, ein Netz knüpfte, das sich noch heute, Jahrzehnte später, sehen lassen kann.
So entstand auch aus der Besprechungszeitschrift Die Zeit im Buch, die seit 1947 erschienen war, SCHRIFT/zeichen, die Zeitschrift für Literatur, Kunst, Religion, die den Zusammenhang von Inhalt und Form auch ästhetisch sichtbar machte.
In ihren vielen Veranstaltungen verwob Erika Schuster Musik, Literatur und Kunst und hatte dabei immer die Menschen im Blick.
Es ist ein Glück, sie kennengelernt zu haben, mit ihr gearbeitet zu haben. Sie hat unendlich viel geschenkt. Es wird bleiben, denn sie hat es gerne und großzügig geteilt und weitergegeben: ihr Lachen, ihr Wissen, ihr Zuhören, ihre Neugier und ihre Herzlichkeit.
Ich erinnere mich in großer Dankbarkeit.
Brigitte Schwens-Harrant war von 2000 bis 2002 Leiterin des Literarischen Forums
Inge Cevela über Erika Schuster
Erika Schuster übernahm Anfang Mitte der 1980er Jahre die Leitung des Literarischen Forums, zu einer Zeit, in der die sogenannte Erwachsenenliteratur und die Kinder- und Jugendliteratur völlig abgehoben voneinander in verschiedenen Welten existierten. War die eine eher elitär verbrämt, so galt die andere als reine Zweckliteratur, pädagogisch und entwicklungspsychologisch dem Nutzen der Heranwachsenden verpflichtet. Als Verbindung der beiden galt die nicht zufällig als „Brückenliteratur“ für junge Erwachsene bezeichnete Einführung in literarische Verfahrensweisen. Kinderliteratur wurde praktisch ausschließlich auf pädagogische Relevanz und Werteerziehung hin diskutiert.
Erika Schuster aber war aufgeschlossen und aufmerksam gegenüber den literarischen und künstlerischen Aufbrüchen einer sich zunehmend emanzipierenden Kinder- und Jugendliteratur; es wurde selbstverständlich, dass bei den unter ihrer Leitung stattfindenden Jahrestagungen jeweils ein Arbeitskreis und bald schon eines der Hauptreferate sich der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur widmen konnte; ein Paradigmenwechsel der leserbezogenen zur werkbezogenen Kritik im Umgang mit Literatur vollzog sich. Erika Schuster war dafür eine engagierte und zielorientierte Türöffnerin (wie es nicht zuletzt in der engen Verbundenheit von STUBE und Literarischen Kursen sichtbar wird).Der weiblichen Seite in der Literatur – dem Frauenbild wie auch den Autorinnen – galt ebenso ihr besonderes Engagement. So wurde im Rahmen der 875 Jahr-Feier der Frau Ava, der ersten in deutscher Sprache schreibenden und im elften Jahrhundert nahe dem Stift Göttweig lebenden Dichterin, von einer kleinen Personengruppe die Frau Ava Gesellschaft für Literatur gegründet mit dem Ziel, einen Literaturpreis ausschließlich für Frauen auszuschreiben. Erika Schuster übernahm für den Vorstand den Juryvorsitz sowie die Koordinierung und Auswahl der Jurorinnen. Seit 2002 wird der biennal vergebene Preis regelmäßig verliehen. In diese Jury ist von Anfang an jeweils ein Mitglied aus STUBE bzw. Literarischen Kursen berufen.
Inge Cevela war von 1997 – 2007 Leiterin der STUBE
Heidi Lexe über Erika Schuster
Als Erika Schuster die Leitung des Literarischen Forums übernommen hat, stand ich an der Schwelle zum Studium der Literaturwissenschaft und hatte keine Ahnung davon, dass ich 30 Jahre später die Verantwortung für einen Teil dessen übernehmen werde, was Erika Schuster aufgebaut hat.
Auch wenn ich mit Erika Schuster später nicht mehr persönlich zusammengearbeitet habe, verbindet uns dennoch bis heute ein Format der Literaturvermittlung, das den Erfolg von STUBE und Literarischen Kursen anhaltend sichert: der Fernkurs.
Gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen hat sie einen Fernkurs Literatur auf den Weg gebracht, der die private und individuelle Lektüre von Allgemeinliteratur intensiviert und begleitet.
Diesen Fernkurs zum Vorbild nehmend, konnte die STUBE den (deutlich jüngeren) Fernkurs Kinder- und Jugendliteratur entwickeln, der sich als Fortbildungsangebot vor allem an jene richtet, die beruflich mit Kinder- und Jugendliteratur befasst sind.
Kurioserweise war es Horst Patenge, Literaturvermittler einer deutschen Partnerinstitution beider Einrichtungen (der STUBE und der Literarischen Kurse), dem es gelungen ist, über das Projekt Proliko im Borromäusverein erste Verknüpfungen zwischen den beiden Fernkursen herzustellen. Doch erst ein ganz und gar prosaischer (und natürlich an permanentem Einsparungspotential orientierter) Organisationsentwicklungsprozess in der Erzdiözese Wien hat dazu geführt, dass heute beide Fernkurse von einem gemeinsamen Team Literatur betreut werden, einander befruchten und vielfach durchdringen.
Wenn heute also Papst Franziskus in seinem Brief vom 17 Juli 2024 dazu anregt, der Literatur und ihrer Bedeutung in der Bildung große Aufmerksamkeit zu schenken, dann kann die Erzdiözese Wien sich über eine Besonderheit im deutschsprachigen Raum glücklich schätzen: über die (institutionelle) Mit-Einbeziehung von Literatur in die Frage danach, wie Menschen eine innige Beziehung zu ihrer konkreten Existenz herstellen können. Erika Schusters Anteil daran kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Dass zumindest ein Teil ihres Erbes in der Abteilung Literatur in der Erwachsenenbildung heute noch so lebendig weitergedacht wird, hat auch Erika Schuster selbst geschätzt. Im Rahmen einer Verleihung des Literaturpreises der Frau Ava Gesellschaft erschien es mir in einem Gespräch mit ihr als besonderes Privileg, ihre Wertschätzung und Freude darüber zu erfahren, dass die Literarischen Kurse einen Weg gefunden haben, die Literatur weiterhin so vielen Menschen ins ganz persönliche Stammbuch zu schreiben. Oder besser: Tagebuch – denn ganz im Sinne Erika Schusters ist es den Literarischen Kursen auch heute noch ein Anliegen, mit jedem neuen Fernkurs Neues zu entdecken, Neues zu erproben.
Ganz im Sinne von Erika Schusters Überzeugung, dass Literatur sowohl im persönlichen Leben als auch in einem gesellschaftlichen Bildungsprozess eine formende und prägende Rolle spielen kann. Soll. Muss.
Heidi Lexe ist seit 2021 Leiterin der Abteilung Literatur in der Erwachsenenbildung der Erzdiözese Wien