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Hier finden Sie vom Team der Literarischen Kurse zusammengestellte Informationen und Hinweise rund um den aktuellen Fernkurs »lyrikLESEN«:

Lese-Tipp im Jänner 2025

Hannah Oppolzer: Verpasst, Braumüller 2023

Der Name der Autorin kommt Ihnen bekannt vor? Kein Wunder! Hannah Oppolzer ist ja auch die Verfasserin des 3. Skripts des Fernkurses „klassikLESEN“!


In ihrem Debütroman „Verpasst“ beweist sie gekonnt, dass sie nicht nur das theorielastige, sondern auch das literarische Schreiben richtig gut drauf hat – aber überzeugen Sie sich ruhig selbst.
„Verpasst“ erzählt nicht nur eine Geschichte, sondern gleich mehrere und mäandert dabei zwischen den Perspektiven.

Da ist einmal Emma, die Tochter. Da sind aber auch Emmas Vater und vor allem Emmas Mutter, deren Sichtweisen direkt aus der Erzählung dringen und das vielfältig vertrackte Familienleben in ihr jeweils persönliches Scheinwerferlicht rücken. Und dann sind da auch noch die anderen, die Kurz- und Langzeitbekanntschaften, die sich in und aus der Geschichte schieben und dabei ihre Spuren hinterlassen.


Im Mittelpunkt aber steht das Dazwischen; der komplizierte Raum zwischen den Menschen, der einmal von mehr, einmal von weniger Nähe bestimmt ist, einmal von Angst, dann wieder von Geduld und Hoffnung. In verknappten Dialogen zeigt sich die ganze Schwere und Leichtigkeit des Seins im Familien- und Freudesverband, in den jeweils antrainierten Rollen und den Routinen, die zu durchbrechen die eigentliche Herausforderung ist. Der Wunsch nach schalldichtem Schutz stellt dabei der Sehnsucht nach Freiheit ein Bein und eine Person nach der anderen stolpert darüber

.
Er hat von Anfang an gewusst, dass sie zerbrechlich ist. Nicht schwach. Schwache Menschen müssen vor stärkeren beschützt werden, zerbrechliche Menschen vor sich selbst.
(S. 95)


So blickt Emmas Vater auf seine Frau und so blickt er weiter auf die vielen Risse, die zwischen Mutter und Tochter im Lebensverlauf aufsprangen. Es funktioniert nicht so recht, das Elterndasein.

Er ist mitschuldig daran, dass Mutter und Tochter sich nie in die Augen sehen konnten, aus Angst, den Menschen zu entdecken, der in der anderen wirklich steckt.
(S. 95)

Genau jenes Entdecken und Wegschauen durchzieht „Verpasst“ und spiegelt sich in den Interaktionen schmerzhaft eindringlich wider, ohne dass es jemals zum großen Knall käme. Eher liegt das Ausmaß der Dinge im Kleinen, in den Nebenbeibeobachtungen, die Hannah Oppolzer in ihre Bildersprache packt:


Er umschlingt sie von hinten mit beiden Armen. Der Spiegel wirft ihnen das Bild eines glücklichen jungen Paares entgegen.
Georg sagt: Es kann ja nicht jeder so eine gute Beziehung haben wie wir beide, und küsst sie auf den Hals. Emma ringt sich ein Zahnpastalächeln ab. Plötzlich scheint das Bad viel zu klein für zwei Personen und die überdimensionale Menge an Schuldgefühlen, die jetzt zur Tür hereinspaziert. Sie blickt in Georgs Spiegelaugen und ihr wird klar, dass das die einzige Art ist, wie  sie ihm noch in die Augen sehen kann.
(S. 149)


„Verpasst“ ist eine Erzählung des Aneinandervorbeis und Mittenhindurch, ein starkes Debüt, das Vorfreude auf mehr macht.

iris gassenbauer

 

 


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